Abschaffung der Bildungskarenz

Welche Auswirkungen hat die Abschaffung der Bildungskarenz auf Unternehmen?
Die neue Bundesregierung treibt mit einem ersten Maßnahmenpaket zur Budgetsanierung die Abschaffung der staatlich geförderten Bildungskarenz und Bildungsteilzeit voran. Diese Entscheidung wirft zahlreiche Fragen auf, insbesondere hinsichtlich der betrieblichen Weiterbildung und der Fachkräfteentwicklung. Doch wie bewerten Wirtschaftskammer (WKO) und Arbeiterkammer (AK) diese Änderung? Und welche Konsequenzen ergeben sich für Unternehmen und ihre Mitarbeitenden?
Reform statt treffsichere Lösung für den Arbeitsmarkt
Die WKÖ zeigt sich in ihrer Bewertung der Bildungskarenz kritisch. Laut WKÖ wurde dieses Instrument ursprünglich geschaffen, um die Qualifikation von Arbeitnehmer:innen zu verbessern und ihre Stellung am Arbeitsmarkt zu sichern. In der Praxis sei es jedoch wenig treffsicher gewesen, so die Einschätzung von Wifo und Rechnungshof. Die WKÖ argumentiert, dass das System vielfach dazu geführt habe, dass Menschen länger als nötig dem Arbeitsmarkt fernblieben, ohne dass ein nachhaltiger Nutzen für den Arbeitsmarkt erzielt wurde. Eine Abschaffung würde daher nicht zwangsweise den Fachkräftemangel verschärfen. Vielmehr betont die WKÖ die Notwendigkeit, eine gezieltere Lösung für Weiterbildung zu entwickeln, die stärker auf betriebliche Bedürfnisse abgestimmt ist.
Zudem sieht die WKÖ eine positive wirtschaftliche Wirkung in der Reform. Eine effizientere Gestaltung des Sozialsystems stärke die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen. Dies sei insbesondere deshalb relevant, da die Bildungskarenz aus Beiträgen von Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen finanziert wurde. In der Neugestaltung des Weiterbildungssystems sieht die WKÖ daher eine Chance für die Zukunft.
Zugang zur Weiterbildung muss gesichert bleiben
Die Arbeiterkammer Kärnten betrachtet die Bildungskarenz hingegen als ein wichtiges arbeitsmarktpolitisches Steuerungsinstrument, das nicht leichtfertig abgeschafft werden sollte. AK-Präsident Günther Goach bekräftigt, dass Bildung für alle Menschen unabhängig von ihrem sozialen oder wirtschaftlichen Hintergrund zugänglich bleiben muss. Eine verstärkte Ausrichtung auf die Verwertbarkeit am Arbeitsmarkt sowie eine bessere Kontrolle sind sinnvoll, allerdings dürfe dies nicht zulasten von Geringqualifizierten gehen.
Besondere Kritik äußert Goach an der geplanten Abschaffung der Bildungskarenz direkt nach der Elternkarenz. Diese Regelung sei zwar aus Sicht der Regierung nachvollziehbar, allerdings fehle es an adäquaten alternativen Lösungen, speziell hinsichtlich der Kinderbetreuung. Um berufliche Weiterentwicklung zu ermöglichen, sei es daher essenziell, dass die Regierung parallel dazu deutliche Verbesserungen in der institutionellen Kinderbetreuung umsetzt.
Günther Goach verweist in diesem Zusammenhang auf das Bildungsangebot der AK: Mit dem AK-Bildungsgutschein können Mitglieder auf der Plattform www.ak-akademie.at aus rund 1.000 Kursen wählen. Gleichzeitig fordert die er eine staatlich geförderte Alternative, um Chancengleichheit in der Weiterbildung sicherzustellen.
Unsicherheit und steigender Beratungsbedarf
Die anstehende Abschaffung der Bildungskarenz sorgt für große Unsicherheit unter Arbeitnehmer:innen. Die Arbeiterkammern verzeichnen bereits jetzt einen starken Anstieg an Anfragen und Beratungen zu diesem Thema. Besonders betroffen sind Personen, die eine Bildungskarenz geplant oder bereits mit dem Arbeitgeber vereinbart haben. Experten raten aktuell dazu, Klauseln in Vereinbarungen zu integrieren, die sicherstellen, dass die Karenz nur dann in Kraft tritt, wenn auch tatsächlich Bildungsgeld gewährt wird. Andernfalls könnten Arbeitnehmer:innen nachträglich in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Das AMS, das für die Abwicklung der Bildungskarenz zuständig ist, kann derzeit keine bundesweit einheitlichen Daten zur Anzahl der Anträge liefern. Ein ORF-Bericht zeigt jedoch, dass sich die Zahl der Anfragen in Wien zuletzt um 25 Prozent erhöht hat.
Ausblick: Wie geht es weiter?
Die Entscheidung zur Abschaffung der Bildungskarenz ist gefallen, doch die Debatte ist längst nicht beendet. Die Regierung plant bis Ende des Jahres eine Nachfolgeregelung auszuarbeiten, um eine neue, zielgerichtete Lösung für betriebliche Weiterbildung zu schaffen. Unternehmen stehen nun vor der Herausforderung, alternative Qualifizierungsstrategien zu entwickeln, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Gleichzeitig bleibt abzuwarten, welche Impulse die Regierung setzen wird, um das Weiterbildungssystem nachhaltig zu reformieren.
Fest steht: Die betriebliche Weiterbildung bleibt ein zentrales Thema für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Österreich. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die geplanten Maßnahmen aus Sicht von Unternehmen und Arbeitnehmer:innen einen Fortschritt oder einen Rückschritt bedeuten.