Karriere statt Ruhestand? - Arbeiten in der Pension

Warum es sich lohnt, länger im Berufsleben zu bleiben – und was es dafür dringend braucht.
Das Thema „Karriere statt Ruhestand“ wird in unserer alternden Gesellschaft immer relevanter. Der demografische Wandel, Bruchstellen im Sozialsystem und Fachkräftemangel fordern ein Umdenken – sowohl in der Politik als auch in Unternehmen. Denn die Erwerbsquote jener, die auch in der Pension arbeiten, ist in Österreich vergleichsweise niedrig.
So gehen in Deutschland in der Alterskategorie der 60- bis 64-Jährigen noch rund 63 Prozent einer Erwerbstätigkeit nach. In Österreich sind es mit 32 Prozent nur halb so viel. Auch im EU-Vergleich hinkt die Alpenrepublik hinten nach: Knapp über 57 Prozent der 55- bis 64-Jährigen sind in Österreich erwerbstätig, im EU-Schnitt sind es 60,5 Prozent. Längeres Arbeiten kann aber eine Win-win-Situation für alle Beteiligten sein – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. In Österreich tun sie das nicht.
Schuld an der Nachzüglerrolle ist nicht zuletzt ein „gefräßiges“ Steuersystem. Denn motiviert wären sie, die „Alten“. So zeigen Zahlen der Statistik Austria, dass von den 16 Prozent der 50- bis 74-Jährigen, die zumindest zeitweise trotz Alterspension erwerbstätig sind, knapp die Hälfte (48,7 %) der Erwerbstätigen aus Freude am Job weiterarbeiten.
Wie also könnte unsere Gesellschaft den Wandel zu einem längeren Erwerbsleben aktiv gestalten?
Fest steht: Ein längeres Erwerbsleben darf nicht dem Zufall überlassen werden. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen gemeinsam Voraussetzungen schaffen, die den Übergang ins spätere Berufsleben erleichtern und attraktiver machen. Dazu gehören unter anderem:
Flexibilisierung des Renteneintrittsalters: Wer länger arbeiten möchte, sollte dies unkompliziert und ohne finanzielle Nachteile tun können – idealerweise mit Anreizen wie höheren Rentenansprüchen oder steuerlichen Vorteilen. Noch ist das Gegenteil der Fall. Zwar ist es grundsätzlich schon jetzt möglich, in der Pension unbegrenzt dazuzuverdienen. Die Pension und die Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit werden aber addiert. Damit steigt die steuerliche Bemessungsgrundlage – und drückt den Nettoertrag. Neben Lohn- und Einkommenssteuer fallen auch Sozial- und Pensionsversicherungsbeiträge an. Das neue Regierungsprogramm verspricht diesbezüglich aber Verbesserungen: eine 25-prozentige Flat Tax sowie eine Befreiung von Versicherungsbeiträgen sollen kommen.
Förderung von Weiterbildung im Alter: Lebenslanges Lernen darf nicht mit 50 aufhören. Berufliche Qualifizierungsangebote müssen auch für ältere Arbeitnehmer:innen offen und attraktiv sein.
Arbeitsplatzgestaltung & Gesundheitsschutz: Unternehmen können durch ergonomische Arbeitsplätze, Präventionsangebote und flexible Arbeitszeitmodelle dazu beitragen, dass auch ältere Mitarbeitende gesund und leistungsfähig bleiben.
Gesellschaftliche Wertschätzung: Altersdiversität fördert gegenseitigen Respekt und Innovationskraft durch Perspektivenvielfalt. Dennoch ist Altersdiskriminierung noch immer Realität – und muss aktiv bekämpft werden. Denn der Wert eines Menschen bemisst sich nicht am Geburtsdatum, sondern an seiner Erfahrung, Kompetenz und Motivation. Ältere Mitarbeitende bringen eine jahrzehntelange Berufspraxis mit, die durch kein Studium zu ersetzen ist. Sie können damit eine Mentoringrolle für jüngere Generationen übernehmen und ihr Wissen gezielt weitergeben und damit die Entwicklung junger Kolleg:innen fördern. Senior:innen zeigen dazu häufig eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen. Loyalität gilt ihnen als wichtiger Wert. Dazu kommt auf Basis ihrer Berufserfahrung eine Krisenfestigkeit in Stress- und Konfliktsituationen. Zudem zeigen Studien, dass altersgemischte Teams produktiver, kreativer und zufriedener sind – wenn die Zusammenarbeit auf Augenhöhe funktioniert.
Wie also diesen potenziellen Schatz nutzen? Dass es ihn gibt, beweist die Statistik: Die Baby-Boomer-Jahrgänge gehen aktuell in Pension, geburtenschwächere rücken nach. Die Folgen sind bekannt: Arbeitskräftemangel und Druck im Pensionssystem. Denn 1996 kamen auf eine Pensionistin beziehungsweise einen Pensionisten noch vier Erwerbstätige, heute sind es drei, 2040 werden es nur noch zwei sein. Das durch eine längst deformierte Alterspyramide gestützte Sozialsystem – Stichwort Generationenvertrag - ist einsturzgefährdet.
Die längere Lebenserwartung spricht für eine Anhebung des Pensionsalters
Denn wenn Menschen länger leben und gesund bleiben, ist es sinnvoll, dass sie auch länger arbeiten. Eine schrittweise Anhebung des faktischen und gesetzlichen Pensionsalters würde damit langfristig die Finanzierbarkeit des Systems sichern. Dagegen spricht wiederum unter anderem eine Ungleichheit in der Lebenserwartung: Menschen mit niedrigem Einkommen oder körperlich anstrengenden Berufen leben oft kürzer und haben weniger von der Rente. Umgekehrt finden ältere Personen schwerer neue Jobs, was sie – sofern einmal aus dem Arbeitsmarkt gekippt – zu einer sozial „bedrohten Spezies“ macht. Ohne Reformen im Arbeitsmarkt bringt eine Anhebung Pensionsalters also nichts.