Krise – Eine vertraute Gefährtin unserer Zeit?

GASTKOMMENTAR von Peter Brezinschek
Wirtschaftskrise, geopolitische Krise, Budget- und Schuldenkrise, Pensionssystem-Krise, Industriekrise, Arbeitsmarktkrise, man könnte die Aufzählung bei einem Blick in unsere Medien beliebig fortsetzen. Aber ist es tatsächlich so schlimm wie nie zuvor oder ist unsere Aufmerksamkeit für Negativmeldungen einfach empfänglicher?
Klar ist, wir leben in einer sich rasch verändernden Zeit mit vielen Herausforderungen. Nachdem Marktwirtschaft und Globalisierung über 40 Jahre für weltweit steigenden Wohlstand (in Asien sind 2 Milliarden Menschen aus der Armut entkommen) gesorgt hat, haben die geopolitischen Rahmenbedingungen zuerst durch Chinas Expansionsdrang, dann durch Putin und nicht zuletzt durch Donald Trump eine markante Wende erfahren. Staatsinterventionismus und Protektionismus ist wieder salonfähig geworden. Das gilt seit der Eurokrise auch für die Europäische Union.
Zunehmender politischer Einfluss hemmt Investitionsneigung
Die soziale Marktwirtschaft ist gekennzeichnet von einem möglichst hohen Freiheitsgrad von Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen, den Wettbewerb und die Rahmenbedingungen setzt der Staat. Aber insbesondere seit der COVID-19-Krise greift die öffentliche Hand auch in viele ökonomische Entscheidungen ein, die Budgetdefizite explodieren – in den USA wie in Teilen Europas – und zusammen mit vielen bürokratischen Maßnahmen nimmt die wirtschaftliche Planbarkeit der Unternehmen deutlich ab.
Inflation als Wettbewerbskiller
Die extrem expansive Geldpolitik in der Eurozone bis 2022 in Verbindung mit massiven Staatsausgaben haben die Inflation zum Leben erweckt. Hohe Lohnabschlüsse der letzten drei Jahre gepaart mit schon zuvor hohen Energiepreisen haben die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in der Eurozone und Österreich merklich geschwächt. Die USA und Asien sind hier eindeutig vorteilhafter als Produktionsstandorte, weshalb die Investitionsbereitschaft in Europa systematisch abnimmt. Das Übrige tun die seit 2023 abnehmenden Gewinnmargen. Die Insolvenzstatistik ist somit nicht bloß zyklisch, sondern großteils hausgemacht.
Staatsquoten von über 50% lähmen die Wirtschaft
Die neue Europäische Kommission hat erkannt, dass zu viel Reglementierung, wie zum Beispiel das Lieferkettengesetz oder Nachhaltigkeitsreports, weder zur Zielerreichung und schon gar nicht zu mehr Wirtschaftsstimulation führen. Daher ist der Rückbau von bürokratischen Hürden auf allen politischen Ebenen extrem wichtig zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Zuwanderung ohne Qualifikation und demografischer Wandel machen auch einen Umbau des Sozialsystems erforderlich. Während vor 50 Jahren die Ausgaben für Sozialtransfers noch 15% des BIPs betrugen, sind es in Österreich 2024 bereits 31,6%. Das ist leistungshemmend und verschlingt zu viele ökonomische Ressourcen. Das Arbeitskräftepotenzial muss durch Abschaffung der Benachteiligung von Vollzeitarbeit gegenüber Teilzeit (z.B. durch eine weitgehende Flat-Tax bis zur Sozialversicherungsgrenze) gehoben werden. Ein rascherer Abbau des viel zu hohen Budgetdefizits, insbesondere bei Förderungen und Transfers, würde zu mehr Absehbarkeit in der Wirtschaftspolitik und damit zu mehr Investitionsvertrauen führen.
Forcierung von Innovation und Schlüsselindustrien
Österreich hat prinzipiell gute Voraussetzungen für die Rückkehr auf einen Wachstumskurs. Ein breit gefächertes Ausbildungssystem, gut ausgebaute Grundlagenforschung und starke Verquickung mit den Forschungsanstrengungen der Unternehmen (Stichwort Industrie-Cluster!) sowie äußerst dynamische Unternehmen mit vielen „Hidden Champions“ in vielen Sektoren sind wichtige Bausteine für die Innovation und erfolgreichen Strukturwandel. Hochwertige Holz-, ökologische Bau- und Energiewirtschaft sowie ein innovativer Wertstoff/Recyclingbereich als Schüsselsektoren sind zukunftsträchtig. Österreich ist mit 3,2% Forschungsquote des BIP unter den Top-3 in Europa. Die Freisetzung der unternehmerischen Dynamik ist Kernpunkt, um von einer systematischen Wettbewerbskrise in ein erfolgreiches Wirtschaftszeitalter zu wechseln. Mehr Staatsausgaben zur Belebung der Wirtschaft sind nicht zielführend, da die aktuelle Krise struktureller Natur ist und nicht durch eine übliche Konjunkturflaute verursacht wurde. Und Rekorddefizite der letzten Jahre haben gezeigt, dass sie keine Rezession verhindern. Daher lautet der Spruch für die öffentliche Hand: Weniger ist Mehr! Das löst jetzt noch gelähmte Kräfte!
Über Peter Brezinschek


Peter Brezinschek ist selbstständiger Wirtschaftsexperte, Chefökonom bei „derBörsianer“ und Autor zahlreicher Fachbücher. Nach über 40 Jahren Erfahrung in der Finanzmarktanalyse, unter anderem als langjähriger Chefanalyst von Raiffeisen RESEARCH bei der Raiffeisen Bank International (RBI) in Wien, liegt sein Fokus heute auf Wirtschaftspolitik im Zusammenhang mit Klimaschutz, Konjunktur sowie Geld- und Fiskalpolitik.
Mehr Information zu Ursachen und Lösungen für die aktuelle Wirtschaftskrise in Österreich und Europa finden sich in seinem Buch „40 Jahre Finanzmärkte – wie ich sie sehe“. Wirtschaft und Finanzmarkt einfach erklärt – exklusiv zu bestellen unter brezinschek.peter@chello.at .