Nostalgie im Marketing

GASTKOMMENTAR von Fraz Hirschmugl
Nostalgie im Marketing und der Kommunikation ist nur dann wirkungsvoll, wenn man zuvor die Hausaufgaben als Marke gemacht hat. Immer wieder werde ich als Markenentwickler gefragt: Zahlt sich Nostalgie in der Werbung aus? Aktuell besonders häufig, weil einige Marken wie Hornbach ganz schön „retro“ sind. Wenn viele Unternehmen, allen voran ein gut gemachter Brand wie Hornbach, auf Nostalgie setzen – sollen dann alle anderen auch in der Vergangenheit schwelgen?
Warum Nostalgie bei Hornbach funktioniert
Hornbach kann sich Nostalgie leisten. Warum? Weil sie ihre Marken-Hausaufgaben gemacht haben. Hornbach positioniert sich als Mutmacher für „Selbst-Macher“, indem die Kund:innen als Held:innen ihrer eigenen Projekte inszeniert werden – der Baumarkt steht so für ein emotional aufgeladenes Abenteuer, nicht für reinen Werkzeugverkauf. Alles muss nach dem Abenteuer „DoItYourself“ riechen – von der Inszenierung im Markt selbst bis zur Werbung.
Diese Klarheit ist das Ergebnis einer konkret erarbeiteten Markenpositionierung, die so einfach formuliert ist, dass sie jeder im Unternehmen versteht und – vor allem – am eigenen Arbeitsplatz umsetzen kann. Das Geheimnis erfolgreicher Marken: Die Mitarbeiter:innen verstehen, was die „Marke“ signalisieren soll – und können das in ihrer Tagesarbeit umsetzen.
Marke beschrieben zu haben ist eine Sache. Sie zu leben, eine andere.
In meiner Praxis erlebe ich häufig: Unternehmen haben ihre Marke auf dem Papier, oft auf vielen Seiten in einem Leitbild, ganz gut beschrieben – aber im Alltag passiert etwas anderes. Markenarbeit funktioniert nur dann, wenn Mitarbeiter:innen die Positionierung in ihren täglichen Entscheidungen spürbar machen können.
Das Ergebnis, wenn dem nicht so ist: Die Kommunikation springt zwischen verschiedenen Ansätzen hin und her. Heute retro, morgen hypermodern, übermorgen nachhaltig – je nachdem, welcher Trend gerade aktuell ist. Ohne einen klaren Markenkorridor wird auch Nostalgie schnell zum beliebigen Stilmittel, das auf Seite der Kund:innen ins Leere läuft, statt zu einer kraftvollen Markenäußerung, die im Unterbewusstsein der Kund:innen einen emotionalen Mehrwert bewirkt.
Der richtige Weg: Erst das Fundament, dann das Dach
Bevor sich Unternehmen Gedanken über nostalgische Kommunikation machen, sollten sie drei fundamentale Fragen beantworten:
- Wofür stehen wir wirklich? Was ist unser Markenkorridor, den wir so gut wie möglich einhalten?
- Welche tiefliegenden Motive und Sehnsüchte unserer Kund:innen adressieren wir? Haben wir uns überhaupt intensiv genug damit beschäftigt?
- Können unsere Mitarbeiter:innen in zwei, drei Sätzen erklären, was unsere Marke von allen anderen unterscheidet? Und vor allem: Können sie es auf alle (kommunikativen) Maßnahmen anwenden? Oder zumindest auf die meisten.
Falls Sie diese Fragen nicht klar beantworten können, ist es höchste Zeit für eine professionelle Standortbestimmung Ihrer Marke. Externe Markenexpert:innen können helfen, die innere Klarheit zu schaffen, die für jede wirkungsvolle Kommunikation notwendig ist.
Erst wenn diese Hausaufgaben gemacht sind, kann ein Stil wie Nostalgie zu einem gut brauchbaren Instrument werden. Dann nämlich, wenn die Anwendung dieses Stils der Markenlogik folgt und nicht umgekehrt.
Die richtige Reihenfolge macht den Unterschied
Erfolgreiche Markenführung beginnt mit der Frage „Wofür stehen wir wirklich?“ und erst dann mit „Wie können wir das emotional vermitteln?“. Ist diese Basis gelegt, kann eine echte Verbindung zu den Kund:innen geschaffen werden.
Über Franz Hirschmugl

@sdCrea
Franz Hirschmugl ist ein erfahrener Expeditionsleiter in Sachen Marke. Er führte Billa zum „Hausverstand“, die Caritas zum „&Du“ und die Österreich Werbung zu den Pinguinen – und viele andere Unternehmen und Institutionen über gewohnte Blickwinkel hinaus. Ausgangspunkt dieser Expeditionen ist meist die Erkenntnis: Wer in der Erbsensuppe schwimmt, glaubt, die Welt ist grün. Oder anders gesagt: Es gibt immer zwei Wirklichkeiten – die des Unternehmens oder der Institution und die der Kund:innen. Und dazwischen jede Menge Platz für Missverständnisse oder für Möglichkeiten, es noch besser zu machen.