KI-generierte Werbespot

GASTKOMMENTAR von Stefan Häckel
Künstliche Kreation – was Werbespots aus der Maschine über uns verraten
Der erste vollständig KI-generierte Werbespot im deutschsprachigen linearen Fernsehen – entwickelt von Lacalut und ausgestrahlt bei ProSiebenSat.1 – markiert nicht nur einen technischen Meilenstein. Er ist auch ein Symbol. Für die Geschwindigkeit, mit der sich kreative Prozesse automatisieren lassen. Für die Unsicherheit, wie viel Mensch in der Markenkommunikation der Zukunft noch nötig ist. Und für eine Branche, die sich entscheiden muss: Hype beobachten – oder Verantwortung übernehmen.
Der KI-Spot ist kein Einzelfall. Er ist ein Signal.
Internationale Marken wie Heinz, Nestlé, Coca-Cola oder Maybelline haben in den letzten Monaten mit generativen KI-Kampagnen experimentiert: mal als Stilmittel, mal als Versuch, mal als Disruption. Was als Gimmick begann, wird zur Infrastruktur: Tools wie Runway oder Sora beschleunigen Produktion, reduzieren Budgets und demokratisieren Bewegtbild. Was wir in Wahrheit erleben, ist nicht der erste KI-Spot, sondern das potenzielle Ende des Ausnahmezustands. KI wird nicht länger nur sporadisch eingesetzt. Sie kann schon bald auch vorausgesetzt werden. Aktuell fehlen dazu noch einige Schritte, aber es kann sehr schnell gehen.
Markenverantwortung heißt heute: KI verstehen, bevor man sie einsetzt
Die technischen Möglichkeiten sind beeindruckend. Aber Markenkommunikation ist mehr als Text-to-Video. Sie ist Bedeutung. Haltung. Verbindung. Wer KI nur nutzt, um Inhalte schneller zu generieren, ohne sie strategisch einzuordnen, riskiert Austauschbarkeit. KI produziert Inhalte in Sekunden. Aber Vertrauen braucht Kontext. Marken, die Relevanz wollen, und Aktionen bei Menschen – ihren Käufer:innen – auslösen wollen, müssen mehr können als Prompts bedienen und technische Vorreiter sein.
Effizienz ist kein strategisches Ziel
Natürlich senkt KI Produktionskosten. Natürlich ermöglicht sie Variantenreichtum, Personalisierung und Echtzeit-Anpassung. Aber Effizienz ersetzt keine Idee. Und keinen Insight. Und keine Geschichte. Marken, die sich auf die technische Machbarkeit verlassen, ohne in kulturelle Anschlussfähigkeit zu investieren, sparen sich langfristig in eine generische Austauschbarkeit oder in Richtung des Todfeindes: der Irrelevanz. Effizienz macht Kommunikation schneller – aber nicht zwingend besser. Wer Ideen automatisiert, darf Haltung nicht outsourcen.
Die falsche Angst – und die echte Herausforderung
Die Frage ist nicht, ob KI Arbeitsplätze ersetzt. Die Frage ist, ob die Branche es schafft, neue Fähigkeiten zu kultivieren: Prompt-Kompetenz, Kontext-Intelligenz, Datenethik, visuelles Storytelling unter neuen Bedingungen. Die Abgrenzung von KI ist keine Option, umso wichtiger ist die Auseinandersetzung mit KI. Dennoch ist die Angst vor KI verständlich, aber strategisch irrelevant. Wer Markenkommunikation gestalten will, muss verstehen, wie sie funktioniert, auch wenn sie aus Systemen kommt.
Zwischen Maschine und Mensch entsteht Neues – wenn wir es zulassen
Die Zukunft liegt weder in der Verklärung des Handgemachten, noch in der blinden Begeisterung für die Maschine. Sondern im Zusammenspiel. KI kann repetitive Aufgaben übernehmen, Varianten entwickeln und auf Daten reagieren. Kreative Menschen können Bedeutung schaffen, Spannungsfelder spüren, Sprache führen. Entscheidend wird, wie diese Rollen in Zukunft zusammenfinden. Denn die Maschine macht, was wir sagen. Aber sie weiß nicht, warum wir es sagen. Marken, die relevant bleiben wollen, brauchen genau diese Unterscheidung.
Fazit: Der Hype ist vorbei. Die Verantwortung beginnt.
Der Lacalut-Spot ist nicht der Anfang vom Ende menschlicher Kreativität – sondern der Auftakt einer neuen Ära, in der Kommunikation als System gedacht werden muss. Markenverantwortliche, Agenturen und Kreative sollten sich nicht fragen, ob KI kommt. Sondern: Was sie aus ihr machen wollen.
Am Ende geht es nur um die Frage, ob wir KI nur zur Optimierung einsetzen oder um eine Form von Kommunikation zu ermöglichen, die wir uns bisher selbst nicht vorstellen können.
Über Stefan Häckel

©Ingo Pertramer
Stefan Häckel ist Gründer und CEO der Strategie- und Kreativagentur KUBRIK. Er arbeitet für Unternehmen an der Schnittstelle von Marke, Wandel und Technologie – mit einem besonderen Fokus auf die kulturelle Wirkung und den Business Impact von Kommunikation in Zeiten digitaler Transformation und KI. Zuvor baute er VICE & Virtue in mehreren europäischen Märkten auf, zuletzt als Chief Growth Officer Europe. Er ist Speaker, Kolumnist und als Sparringspartner unterstützt er Start-ups und Marken dabei, in dynamischen Umfeldern relevant zu bleiben und nachhaltig zu wachsen.